Die musikalische Lesung mit Briefen von Paul Celan und Ilana Shmueli kommt beim Publikum gut an. Der Verein „Weilburg erinnert“ hat in die „Scheune mit dem blauen Dach“ eingeladen.
WEINBACH-ELKERHAUSEN. Zu einer musikalischen Lesung, bei der der Briefwechsel des 1920 in Czernowitz im damaligen Königreich Rumänien geborenen Paul Celan mit seiner Jugendfreundin Ilana Shmueli im Fokus stand, hatte der Verein „Weilburg erinnert“ in die „Scheune mit dem blauen Dach“ nach Elkerhausen eingeladen. Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit „rimon productions“ statt. Kooperationspartner waren die Friedrich-Naumann-Stiftung sowie die Karl-Hermann-Flach-Stiftung.
Markus Huth, Vorsitzender des Vereins „Weilburg erinnert“, versprach einen Abend mit spannenden Einblicken. Das Thema sei aktueller denn je. Der Slogan „Nie wieder ist jetzt“ sollte keine Floskel sein. Huth verwies auch auf die Aktion am vergangenen Sonntag für Demokratie, Toleranz und Menschenwürde in Weilburg. Sein Verein kooperierte schon mehrfach mit „rimon productions“. Erinnerungskultur sei eine große Herausforderung, sagte Marion Schardt-Sauer (FDP), Vorstandsmitglied der Karl-Hermann-Flach-Stiftung. Der Namensgeber der Stiftung habe bereits im Jahr 1968 vor dem Erstarken der NPD gewarnt. Patrick Walz, Leiter des Landesbüros der Karl-Hermann-Flach-Stiftung, hob den Bildungsauftrag seiner Organisation im Sinne des liberalen Gedankens hervor. „Wir müssen die Erinnerungskultur weitertragen“, betonte er.
In die Rollen von Paul Celan und Ilana Shmueli schlüpften Hanno Dinger und Britta Shulamit Jakobi. Die musikalische Gestaltung lag in den Händen von Agnes Grube, erste Oboistin des Sinfonieorchesters Bergisch Gladbach, und dem Pianisten Roman Salyutov, der Leiter dieses Orchesters ist.
Paul Celan wurde 1920 in eine deutschsprachige jüdische Familie geboren. Die Stadt Czernowitz gehörte zu dieser Zeit zum Königreich Rumänien, heute liegt sie in der Ukraine. Mitte 1940 wurde Czernowitz von der Sowjetunion besetzt. Celan konnte sein Studium zunächst fortsetzen. 1941 wurde die Stadt von rumänischen und deutschen Truppen besetzt. Celans Eltern mussten in einem Steinbruch arbeiten und wurden später deportiert. Celans Vater starb an Typhus, seine Mutter wurde erschossen. Die Deportation und der Tod seiner Eltern hinterließen tiefe Spuren bei Celan. Er litt für den Rest seines Lebens unter dem Gefühl, seine Eltern im Stich gelassen zu haben. In seinen Gedichten sind Verweise auf dieses Trauma der Überlebensschuld zu finden. Im Oktober 1969, wenige Monate vor seinem Tod, unternahm Celan seine einzige Reise nach Jerusalem. Dort traf er seine Jugendfreundin Ilana Shmueli wieder.
Paul Celan hatte die mittlerweile in Israel lebende Jugendfreundin Ilana Shmueli nach langer Zeit im Jahr 1965 in Paris wiedergetroffen. Im Herbst 1969 reiste Celan nach Israel und traf dort Freunde aus seiner Heimat wieder. Gemeinsam mit Shmueli macht er einen Rundgang durch Jerusalem: „Dass Jerusalem eine Wende, eine Zäsur sein würde in meinem Leben, das wusste ich“, schrieb er, nach Paris zurückgekehrt, in einem seiner Briefe. Der in der „Scheune mit dem blauen Dach“ vorgetragene Briefwechsel beinhaltete die Zeit ab Ende des Jahres 1969 bis zum Freitod Paul Celans im Sommer 1970. Ilana Shmueli skizzierte dabei auch den Schriftsteller Celan, der sich mit zunehmender psychischer Erkrankung mit seiner Herkunft und seinem Gefühl der Zugehörigkeit auseinandersetzte.
Nicht nur die Texte vermittelten dem Publikum in Elkerhausen das innige Verhältnis Celans und Shmuelis, sondern auch die sorgfältig ausgewählte Musik. Agnes Grube und Roman Salyutov trugen neben Stücken von Camille Saint-Saens, Felix Mendelssohn Bartholdy, Gustav Mahler oder Maurice Ravel auch solche von Viktor Ullmann, Naomi Shemer und Mordechai Gebirtig vor. Kaum ein anderes Instrument als die Oboe wäre besser dafür geeignet gewesen, mit ihren flehenden Klängen die Gefühle auszudrücken.
Text zur Verfügung gestellt durch: Andreas Müller (Autor)
Foto: Peryton Film Gießen (Robin Jäger)