WEILBURG/BERLIN. Eine erlebnisreiche Reise durch die NS-Geschichte erlebten 24 Jugendliche aus Weilburg und Umgebung bei der neuesten Bildungs- und Gedenkstättenfahrt nach Berlin. Unter dem einprägsamen Motto „Erinnerung als Chance für Zivilcourage“ organisierte der Verein „Weilburg erinnert“ vom 7. bis 10. März eine bewegende Exkursion, für die sich 50 Schülerinnen und Schüler aus fünf unterschiedlichen Schulen beworben hatten. Aus zahlreichen Bewerbern wurden 24 Teilnehmer ausgewählt, die sich auf eine intensive Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte freuten.
Die Fahrt versprach nicht nur einen Blick auf die düsteren Kapitel der Vergangenheit, sondern auch eine Chance für die Jugendlichen, die Bedeutung von Erinnerung und Zivilcourage besser zu verstehen. Bereits am ersten Tag konnten die Teilnehmer hautnah erleben, was unsere Demokratie ausmacht. Nach einer frühen Anreise und dem herzlichen Empfang in der internationalen Jugendbegegnungsstätte Sophienhof am Hackeschen Markt stand der Besuch des Deutschen Bundestags auf dem Plan. Dort erlebten die Schülerinnen und Schüler eine erkenntnisreichen Informationsvortrag und hatten die seltene Möglichkeit, mit dem Büro des heimischen Bundestagsabgeordneten Markus Koob über die Bedeutung der Erinnerungskultur und aktuelle politische Entwicklungen ins Gespräch zu kommen.
Der zweite Tag bot weitere beeindruckende Einblicke, angefangen bei dem Besuch in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, einer ehemaligen zentralen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. In einer Führung durch den ehemaligen Häftling und Zeitzeugen Prof. Matthias Leupold und Matthias Mehlstäubl lernten die Teilnehmenden die Haftbedingungen in der DDR kennen und erhielten Einblicke in das Leben der politischen Gefangenen.
Die Fahrt führte weiter zur Gedenkstätte Deutscher Widerstand, einem Ort von besonderer historischer Bedeutung, wo die Jugendlichen in einem intensiven Seminar die Möglichkeit hatten, sich mit verschiedenen Aspekten des Widerstands auseinanderzusetzen und persönliche Einblicke zu gewinnen. Die Gedenkstätte ist dabei in einem historisch bedeutsamen Ort untergebracht, dem sogenannten „Bendlerblock“. Der Bendlerblock ist einer der wichtigsten Orte der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Am 20. Juli 1944 versuchte Oberst Graf von Stauffenberg vergeblich von hier aus, die NS-Diktatur zu stürzen. Noch in derselben Nacht wurden er und weitere Verschwörer im Innenhof erschossen.
Am dritten Tag besuchten die Teilnehmer die Topographie des Terrors, einem Mahnmal der deutschen Geschichte nahe dem Potsdamer Platz. Hier erfuhren die Jugendlichen von den düsteren Machenschaften des NS-Regimes und bekamen einen hautnahen Eindruck von dessen Schrecken. Nachmittags ging es dann weiter in das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit. Das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Berlin bietet einen Einblick in das Schicksal der Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs und zeigt die grausame Realität hinter den Arbeitslagern und Zwangsarbeitsprojekten des NS-Regimes. Gesche Elsholz führte die Gruppe sogar durch erhaltene Baracken, in denen die Zwangsarbeiter – vis-a-vis von Wohnhäusern – unter menschenunwürdigsten Bedingungen leben mussten.
Am letzten Tag besuchten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Ausstellung „Hitler – wie konnte es geschehen“ im Berlin Story Bunker, um ihr Wissen zu festigen. Die Dokumentation erstreckt sich über drei Etagen und mehr als 3.000 Quadratmeter in einem ehemaligen Luftschutzbunker von 1942. Sie erklärt umfassend den Terror der Nationalsozialisten, den Aufstieg der Partei und Hitlers letzter Unterschlupf, der Führerbunker. In 38 Themenbereichen wird gezeigt, wie Hitler zum Nazi wurde, wie er an die Macht kam und wie der Antisemitismus zu Konzentrationslagern und dem Holocaust führte. Die Dokumentation zeigt auch das Leid der Opfer und die Länder, die nicht helfen wollten.
Die Teilnehmenden stellten im Anschluss an den Besuch mit Kurzpräsentationen ihre wesentlichen Erkenntnisse sich gegenseitig vor.
Bevor es dann mit dem Zug wieder zurück nach Weilburg ging, besuchten die Teilnehmenden noch den Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde. Damit wurde ein Blick auf die eigene Region gelenkt, da die Oberlahn-Region mit einem Zwangssterilisationskrankenhaus in Weilburg, einer Hungeranstalt in Weilmünster und einer Tötungsanstalt in Hadamar besonders in die NS-Krankenmordmaschinerie verstrickt war.
Die Fahrt war nicht nur lehrreich, sondern auch eine emotionale Reise durch die Geschichte. Die Teilnehmer lobten die Organisation und betonten die Bedeutung dieser Erfahrung für ihr eigenes Geschichtsverständnis und ihre persönliche Entwicklung.
Der Verein „Weilburg erinnert“ freut sich über den Erfolg dieser Fahrt und plant bereits eine Fortsetzung im nächsten Jahr. Diese wird erneut 24 Schülerinnen und Schüler vom 20.03. – 23.03.2025 nach München führen.
Diese Bildungs- und Gedenkstättenfahrten sind ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur und zur Förderung des Geschichtsbewusstseins bei jungen Menschen, die damit die Möglichkeit erhalten, die Vergangenheit besser zu verstehen und für die Zukunft zu lernen.
Foto: Peryton Film Gießen